Die Aufforderung gnóthi
seautón - „erkenne dich selbst“
- stand am Eingang des Apollo-Tempels zu Delphi.
So wurden all diejenigen empfangen, die das Orakel hinsichtlich
ihrer Zukunft befragen wollten. Deren Wunsch zufolge, sollte sich
dies am besten in Form einer Handlungsanweisung erfüllen, um
das eigene Tun positiv beeinflussen oder vielleicht sogar das eigene
Schicksal ändern zu können.
Das Orakel jedoch tat ihnen diesen Gefallen
nie. Es sprach immer in Gleichnissen, in Rätseln, in Metaphern
und Bildern, die ergründet werden mussten.
So blieb am Ende immer die Erkenntnis, dass alles Wissen und Meinen
nur ein Vermeintliches ist, solange man sich nicht zuerst selbst
erkannt hat.
Das war es, was das Orakel von Delphi in erster Linie lehrte: Selbsterkenntnis
als essentielle Voraussetzung, um andere Dinge überhaupt erkennen
zu können. Um Antworten auf unsere Fragen zu finden. Um für
uns selbst eine Standortbestimmung vornehmen zu können, bedürfen
wir des Feedbacks und der Auseinandersetzung mit anderen Menschen,
in deren Spiegel wir uns selbst erkennen können, wenn wir es
wagen und wollen.
In Situationen, in denen das vertraute
Handlungsrepertoire nicht zum gewünschten Erfolg führt,
braucht es manchmal - vielleicht im Augenblick Ihres kairos
- eine Begleitung in Form eines Gegenübers, um einen Reflexionsprozess
mitsamt der individuellen Lösungsfindung in Gang zu setzen.
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